ICH GEHE DA HIN, WO DER NAME VON JESUS CHRISTUS NOCH UNBEKANNT IST.

Apostel Paulus in Römer 15, 20

Kopftuch, nein danke

28. Mai 2018

Vor drei Jahren noch war ich der festen Überzeugung, dass ich nie, nie, niemals in ein muslimisches Land gehen würde, um dort einen Kurzzeit-, geschweige denn einen Langzeiteinsatz zu machen. Kopftuch? Eingrenzung meiner persönlichen Freiheit? Nur mit Frauen Freundschaften aufbauen? Langweilig, ungerecht und Unterdrückung! Ich will anziehen was, reden mit wem und mich verhalten, wie ich will…

Überraschenderweise will ich jetzt ein Kopftuch tragen – zu meinem eigenen Schutz und aus Respekt vor meinen Freunden hier. Ausserdem will ich jetzt viel Zeit mit meinen muslimischen Freundinnen verbringen. Wären es Männer, müsste ich ständig mehr oder weniger nette Heiratsanträge abwimmeln (Ein Mann zu unserem Teamleiter: «Für dein Mädchen würde ich auch meine drei anderen Frauen wegschicken!»). Mein Verhalten in vielen Punkten der muslimischen Kultur anzupassen – in dem ständigen Wissen, dass Jesus der Herr in meinem Leben ist – das hat mir Paulus schon vorgemacht (1. Korinther 9, 19–23… den Juden ein Jude… den Afrikanern ein Afrikaner). Tja, für diese Erkenntnis musste Gott aber mindestens drei Jahre an mir arbeiten, angefangen in Europa und weiter hier in Ostafrika.

Neue Freunde verändern meine Sicht

Durch neu gewonnene Freundschaften mit Afghanen und Syrern in Europa merkte ich, dass ich eigentlich gar nicht viel über den Glauben meiner muslimischen Freunde wusste – und auch nicht, wie ich ihnen von meinem erzählen konnte. So wuchs in mir das Bedürfnis, einmal in ihre Welt einzutauchen, um sie besser zu verstehen und meinen Glauben mit ihnen teilen zu lernen. Ich entschied mich für einen Einsatz in Ostafrika. Ich wurde Teil eines Teams, das christliche Lehrer in muslimischen Dörfern aus- und weiterbildet. Es geht unter anderem auch darum, biblische Geschichten verständlich weiterzugeben, so dass ganze Familien mit Jesus in Berührung kommen.

Gott erweitert meine Grenzen Stück für Stück zur richtigen Zeit

In der Zielstadt angekommen war erst mal so ziemlich alles herausfordernd. Selbst die alltäglichsten Dinge brauchten Energie: Taxi zu fahren oder an der Strassenecke Brot zu kaufen. Wie bewegt man sich, eingewickelt in ein vier Meter langes Tuch, würdevoll und ohne in Panik auszubrechen, wenn sich diese Konstruktion auf offener Strasse auflöst und jemand dann noch «Nassara! Nassara!» – «Weisse! Weisse!» ruft? Später verlagerten sich meine Herausforderungen. Zum Beispiel als ich erstmals eine Klasse voller lauter und selbstbewusster afrikanischer Kinder zu unterrichten hatte…

Alhamdulillahi (Gott sei gelobt) – diese Anfangsschwierigkeiten sind überwunden. Ich lernte, alleine mit dem Taxi durch die Stadt zu fahren (wenn auch gelegentlich immer noch in die falsche Richtung). Der Brotverkäufer freut sich, wenn ich mein brüchiges Arabisch anzuwenden versuche. Die Nassara-Rufe ignoriere ich längst und bin auch entspannt, wenn sich meine Verhüllung wieder mal verselbständigt.  

Auch in der Schule führte mich Gott weiter. Es begann mit der eindringlichen Bitte eines Schülers: «Frau Lehrerin, können sie uns heute eine Bibelgeschichte erzählen?» Sein Klassenlehrer hatte schon so lange nichts mehr erzählt. Das bewegte mich. Ein Junge, der morgens und abends in die Koranschule geht und in einer muslimischen Familie aufwächst, vermisst die Geschichten, die ihm einen persönlichen Gott nahebringen, der ihn liebt – selbst wenn er der Schlechteste in seiner Klasse ist. Wie kann es sein, dass ich da noch zögere?

Vorbereitete Begegnungen prägen mein Leben

In den letzten Monaten durfte ich sehen, wie Gott Begegnungen mit Menschen vorbereitet hatte, die mich in meinem Glauben herausfordern. Da ist zum Beispiel der Jesusnachfolger aus muslimischem Hintergrund. Er hat eine christliche Schule in einem muslimischen Dorf gegründet. Diese Schule war auf den Wunsch eines Imams entstanden, der seinen Kindern eine gute Schulbildung bieten wollte und dafür in Kauf nahm, dass im Unterricht biblische Geschichten erzählt werden. Leider bezahlen die Eltern aber oft das vereinbarte Schulgeld nicht. Deshalb hat dieser Schulleiter grösste Mühe, die Löhne für seine angestellten Lehrer zusammen zu bringen. Aber die Schüler deswegen heimzuschicken, das bringt er nicht übers Herz. «Wenn ich sie wegschicke, dann können sie die Geschichten nicht mehr hören. Und die lieben sie doch so sehr!» Er weiss, hätte ihm nicht als Kind jemand die biblischen Geschichten erzählt, wäre er heute kein Nachfolger Jesu.

Nicht nur die Zusammenarbeit mit diesem Schulgründer, sondern auch die vielen Stunden, die ich mit meiner Sprachhelferin Fatime verbringe, fordern mein Denken in vielen Glaubensfragen weiter heraus: Was tun wir, um Gott zu gefallen? Warum sucht Gott Menschen, die von seinem guten Weg abgekommen sind, wie ein Hirte sein verlorenes Schaf?

In den letzten Monaten hat Gott mich in meiner Persönlichkeit und in meinem Glauben stark herausgefordert. Er hat mir immer wieder Liebe für die stolzen Einwohner dieses armen Wüstenlandes  gegeben und mich durch das Team hier dazu gebracht, für sie zu beten und von Gott Grosses zu erwarten. Er ist dabei, mir meine Ängste zu nehmen und meine Prioritäten zu verändern.

Ostafrika

 

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