ICH GEHE DA HIN, WO DER NAME VON JESUS CHRISTUS NOCH UNBEKANNT IST.

Apostel Paulus in Römer 15, 20

Das Verhör

15. Juli 2019

«Ihr Termin ist in einer Woche», sagte mir der Regierungsbeamte am Telefon. «Kommen Sie in unser Büro in der Hauptstadt und erläutern Sie uns Ihre Aktivitäten!» In dieses Büro zu gehen, war nicht so einfach wie es vielleicht klang. Die Reise in die Hauptstadt würde zwei Tage dauern, und vieles davon würde durch karge Wüste führen.

Der Beamte warf mir vor, illegal in der afrikanischen, mehrheitlich muslimischen Nation zu arbeiten, die meine Familie und ich als Zuhause bezeichneten. «Sie könnten aus dem Land gewiesen werden», drohte der Beamte, bevor er auflegte.

Der Schock

Mein Herz schlug bis zum Hals, während mir unzählige Richtungen, in die es gehen konnte, durch den Kopf gingen. Bestenfalls hätte ich die Möglichkeit, meine Arbeit zu erklären und glaubhaft zu versichern, dass meine Frau Mary und ich dieses Land liebten. Zusammen mit unseren Teamkollegen dienten wir muslimischen Gemeinschaften, indem wir in der gesamten von Dürre betroffenen Region Brunnen gruben und an Orten ohne Strom Sonnenkollektoren installierten. Wenn die Behörden von unserer Arbeit hörten, dachte ich mir, würden sie unsere Visa nicht widerrufen können und uns nicht ausweisen.

Es war nicht einfach, in einer so abgelegenen Region zu leben. Als Familie hatten wir viele Prüfungen durchlebt. Fast das ganze Jahr über war es heiss und staubig und Krankheiten waren an der Tagesordnung. Die tägliche Konfrontation mit Armut und Korruption setzte uns ebenfalls zu. Aber durch diese neuerliche Drohung wurde uns zutiefst bewusst, wie sehr wir bleiben wollten – trotz aller Schwierigkeiten.

Ruhe trotz Ungewissheit

Ich betete, als ich die zweitägige Reise in die Hauptstadt antrat: «Gott, nimm mir meine Angst und gib mir Weisheit.» Schnell wurde ich an Lukas 12,11–12 erinnert: «Sorgt euch nicht darum, wie ihr euch verteidigen werdet oder was ihr sagen werdet, denn der Heilige Geist wird euch zu diesem Zeitpunkt lehren, was ihr sagen sollt.»
Ich hatte einmal ein Buch über den Missionar Adoniram Judson gelesen, der 1820 aus Burma vertrieben wurde. In der Nacht, bevor er seinen Fall dem König präsentieren sollte, schrieb Judson:

«Wir legen uns schlafen in Angst. Die Morgendämmerung wird den ereignisreichsten Tag unseres Lebens einläuten. Der morgige Abend wird mit der Blüte oder dem Brand unserer innigsten Hoffnungen enden. Doch es ist tröstlich, diese Angelegenheit in die Hände unseres himmlischen Vaters zu legen, um zu spüren, dass das Werk seins und nicht unseres ist; dass das Herz des Monarchen, vor dem wir erscheinen sollen, unter der Kontrolle der Allmacht steht; und dass das Ereignis in der Weise angeordnet wird, welche der göttlichen Herrlichkeit und dem grössten Wohl am dienlichsten ist. Gott kann für die weisesten Zwecke unsere Hoffnung auf Enttäuschung erleiden; und wenn ja, warum sollte ein kurzsichtiger, sterblicher Mensch klagen? Dein Wille, o Gott, geschehe immer; denn dein Wille ist unvermeidlich der weiseste und der beste.»

Dies gab mir Hoffnung, dass auch ich darauf vertrauen konnte, dass Gott die Ereignisse so führen würde, dass seinem Namen die grösste Ehre erwiesen würde.

Schlechte Aussichten

Zwei Tage später traf ich in der Hauptstadt ein, erschöpft von der Reise. Sogleich begab ich mich zu dem Termin mit Karim, einem imposanten Regierungsbeamten. Unser Treffen begann schlecht. Er stellte Fragen und machte Anschuldigungen, ohne mir die Möglichkeit zu geben, auf eine von ihnen vollständig zu antworten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Karim endlich zur Sache. «Ist Ihnen klar, dass ich die Macht habe, Sie aus dem Land zu werfen?», forderte er mich heraus und beugte sich über mich, sodass ich mich winzig fühlte. An diesem Punkt liess er mir schliesslich Raum, um ausführlich zu reagieren. Also stellte ich sicher, dass ich mit meiner Antwort vorsichtig war.

«Ich weiss, dass ich nur durch Ihre Güte in diesem Land bin.» Es fühlte sich hoffnungslos an, als hätte Karim sich bereits entschieden. Tränen brannten in meinen Augen. «Ich weiss, dass ich an dem Tag, an dem Sie mich nicht mehr wollen, gehen muss.»

Er lockerte seinen Ausdruck, richtete seine Haltung auf und trat zurück. Seine Feindseligkeit schien zu verschwinden und sein Gesichtsausdruck wurde sanfter. Karim sah nachdenklich aus, fast traurig.

Unerwartete Wendung

«Bitte denken Sie nicht, dass wir Sie nicht hier haben wollen», sagte er mir nun in einem ruhigeren, überlegteren Ton. «Sie haben Ihre Verwandten und Ihr Zuhause mir allem Komfort verlassen, um hierher zu kommen, mit unserem Volk zu leiden und uns zu helfen. Sagen Sie nie, dass wir Sie nicht wollen. Sie sind hier willkommen!» Die Atmosphäre wurde besser, und das Gespräch war nicht mehr von einer drohenden Ausweisung überschattet. Stattdessen ging es um Gastfreundschaft, ein Wert, der tief in der Kultur dieser Wüstennation verwurzelt ist. Die Aufnahme von Fremden war an diesem Ort quasi eine Frage von Leben oder Tod.

Karim hatte die Macht, uns aus seinem Land auszuweisen, aber nun ging es um Gastfreundschaft. Mit seiner in Frage gestellten Ehre erklärte mich Karim zu seinem Gast – nicht zu seinem Feind.

Neuanfang

Er teilte mir die Gründe nicht mit, aber einigen Leuten waren wir wohl ein Dorn im Auge. Sie hätten es gerne gesehen, wenn wir abgereist wären. «Sie können in unserem Land bleiben», sagte Karim. «Aber Sie müssen die Stadt verlassen, in der Sie leben.» Es war ein Olivenzweig, und ich ergriff ihn. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Kummer kehrte ich nach Hause zurück. Unsere Teamkollegen konnten in der Stadt bleiben und ihre Arbeit und ihren Dienst fortsetzen. Sie halfen meiner Familie beim Packen unserer Sachen. Wir verabschiedeten uns von unseren lokalen Freunden und zogen in unser neues Zuhause in der vier Stunden entfernten Regionalhauptstadt.

Wie Judson geschrieben hatte, gehört das Werk unserem himmlischen Vater, nicht uns. Das Herz des Regierungsbeamten, vor dem ich erscheinen musste, war «unter der Kontrolle der Allmacht». Auf dieser Grundlage wagten wir den Neuanfang.

Ostafrika

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