Auf einer Osterfeier in unserer jungen Gemeinde in Mittelasien kam sie zum ersten Mal: Afsana – eine Frau Ende 30 und unverheiratet, was in dieser Gesellschaft sehr selten ist. Später erzählte sie, warum sie eigentlich gekommen war: Sie dachte, hier gibt es sicher etwas zu klauen. Wahrscheinlich hatte sie damals tatsächlich auch ein paar Leckereien mitgehen lassen.
Danach kam sie aber immer wieder zur Gemeinde – nicht wegen der Leckereien, sondern weil sie einfach einsam war. Sie hatte nur wenige Freunde und ihre Familie war ihr auch nicht so wohlgesonnen. Das lag zum Teil daran, dass sie einen Mann liebte, der sie eigentlich nur ausnutzte. Er lebte von seiner Frau getrennt und vertröstete Afsana damit, dass er sie heiraten werde. Wahr gemacht hat er sein Versprechen jedoch nie.
In der Gemeinde fand sie endlich Liebe und Annahme und es dauerte nicht lange, bis sie ihr Herz Jesus gab. Sie war trotz aller Schwierigkeiten in ihrem Leben immer zu Spässen aufgelegt und wenn ich heute an sie denke, sehe ich sie vor mir, wie sie im Lobpreis tanzt.
Die Schocknachricht
Dann, mit 41 Jahren, geschah etwas Unerwartetes: Afsana erlitt einen Schlaganfall. Sie konnte nicht mehr aufstehen, nicht reden, nicht mehr alleine essen oder zur Toilette gehen. Einige Wochen lag sie im Krankenhaus, bevor man sie als unheilbar nach Hause schickte. Die Familie kümmerte sich nur sehr wenig um sie. So wechselten wir uns von der Gemeinde ab, für sie zu sorgen. In dieser Zeit haben wir immer wieder für sie gebetet, aber Gott hat sie nicht geheilt.
Nach kurzer Zeit zu Hause starb Afsana plötzlich. Zwei Tage vorher war es ihr richtig gut gegangen und wir dachten, dass es jetzt besser werden würde mit ihr. So war diese Nachricht für uns alle ein Schock. Niemand von unserer Gemeinde oder unserem Team war darauf vorbereitet.
Von der Familie geächtet, doch auf ewig nicht mehr einsam
In unserem Land werden die Toten möglichst noch am gleichen Tag bestattet. Die Familie lehnte aber jegliche Verantwortung ab: «Sie war Christin. Wir werden sie nicht anfassen.» Es waren dann also wir Frauen von der Gemeinde, die Afsana für das Begräbnis vorbereiteten, sie wuschen und in das Leichentuch hüllten. Unterdessen kümmerten sich die Männer um die Begräbnisstätte. Ein verantwortlicher Mullah verbot ein Begräbnis im Familiengrab auf dem muslimischen Friedhof. Wo sollten wir Afsana nun bestatten? In unserer Stadt gab es früher viele russische Bürger, die einen eigenen Friedhof draussen vor der Stadt hatten. Dort wurde dann die Erlaubnis für die Beerdigung erteilt.
Es war ein kalter ungemütlicher Wintertag. Genauso abweisend wie das Wetter an diesem Tag waren auch die Menschen Afsana gegenüber, selbst nach ihrem Tod. Es machte uns wieder einmal deutlich, wie hoch der Preis für diejenigen ist, die sich in dieser Gesellschaft zu Jesus bekennen. Der Lohn ist dennoch ungleich höher: Heute erlebt Afsana Gemeinschaft, wie sie ihr auf der Erde niemand auch nur annähernd bieten kann. Jetzt tanzt sie vor Gottes Thron. Ihm zur Ehre.
Zentralasien