ICH GEHE DA HIN, WO DER NAME VON JESUS CHRISTUS NOCH UNBEKANNT IST.

Apostel Paulus in Römer 15, 20

Tut mir leid

11. März 2019

«Ich dachte halt, ich kann dich alles über das Indschil (das Evangelium) fragen, weil du ja täglich darin liest.» Das sitzt. Mein neuer kleiner Bruder erklärt mir gerade, warum es ihm so wichtig war, jeden Freitag mit mir über die heiligen Bücher zu sprechen.

Alles hatte damit angefangen, dass Arif nach einer meiner Sprachlektionen bei seiner Schwester ins Zimmer kam und mich bat, noch zu bleiben. Neha, meine Lehrerin, sass dabei als er anfing, mir sehr durchdacht seine Sicht von Hazrat Isa zu erklären. Es stahl sich wohl ein Lächeln auf mein Gesicht, als dieser junge Muslim fehlerlos aus 5. Mose rezitierte. Ich nickte zustimmend. Liebe Gott deinen Herrn von ganzem Herzen… Als Arif kurz Luft holte, stellte ich dann meine Frage: «Was denkst du darüber?» Er wich aus. Dies wiederholte sich eine Woche später, einfach einen Tick intensiver. Mir war nicht mehr wohl, denn mir wurde klar, dass er mich einladen will, Muslimin zu werden! So fühlt es sich also an, wenn jemand einen bekehren will! Arifs Schwester war bei unseren Diskussionen stets anwesend und manchmal versuchte ich, sie miteinzubeziehen. Aber meine Kenntnisse unserer gemeinsamen Sprache waren noch zu gering, und Arif präsentierte seine Apologetik auf Englisch.

So geht es nicht weiter

Eine Lösung musste her! Dass ich als Ausländerin diese wichtigen Fragen mit dem jungen Sohn der Familie besprach, ohne dass die Eltern darüber informiert waren, war nicht gut.

Es war wieder Freitag. Arif war so eifrig wie eh und je. Irgendwann schlug ich ihm vor, seine Familie zu fragen, ob sie mit uns zusammen aus den Heiligen Büchern lesen möchten. Wir könnten anschliessend austauschen, wie wir darüber denken und was wir daraus lernen möchten. «Ja, Insha allah, das machen wir!», gab er zur Antwort und fuhr fort, mir verschiedene Stellen aus Johannes zu erläutern. Bei der nächsten Gelegenheit sprach ich meine Einladung noch einmal aus. Ich begann zu befürchten, dass ich die offene Tür gerade zugeschlagen hatte, denn Arif diskutierte nun hitzig.

Die Entschuldigung

Am nächsten Tag erlebte ich eine grosse Überraschung. Arif musste etwas in der Stadt erledigen und fuhr mit mir in der Rikscha dahin. Während der Fahrt sprachen wir über dies und das. Auf einmal wurde er ernst: «Es tut mir leid, wenn etwas, das ich gestern gesagt habe, dich verletzt hat. Das wollte ich nicht. Als guter Muslim sollte ich so etwas nicht tun.» Mir bleiben die Worte im Hals stecken. Hat er sich eben bei mir entschuldigt? Ich versicherte ihm, dass alles gut war zwischen uns. «Ich dachte halt, ich kann dich alles über das Indschil fragen, weil du ja jeden Tag darin liest», erklärte Arif entschuldigend.

Seit diesem Tag haben wir kaum über Hazrat Isa und das Indschil gesprochen. Dafür bemerke ich, dass meine Beziehung zu allen Mitgliedern von Nehas und Arifs Familie tiefer wird. Arif behandelt mich mit Respekt und macht ab und zu seine Witze. Wir haben viel zu lachen, sei es über meine kolossalen Fehler in der Sprache oder über einen Kommentar des kleinen Neffen. Ich fühle mich unglaublich beschenkt, dass ich seit vier Monaten Teil dieses Hauses sein darf, auch wenn es nur für drei Stunden pro Tag ist.

Meine Einladung habe ich nicht vergessen. Ich werde bald noch einmal fragen, wer alles mit mir lesen und lernen möchte. Bis dahin bete ich jeden Tag, dass Jesus jedem Familienmitglied persönlich begegnet.

Südasien

 

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